Ist Paartherapie nach einer Affäre hilfreich?

Geschichten über Affären, Seitensprünge und Außenbeziehungen kennen wir alle. Durchschnittlich sieht es so aus, dass sich mehr als die Hälfte der Menschen mindestens einmal im Leben in eine Affäre verfängt, und so gut wie jeder – entweder als der verletzende oder der verletzte Partner – erlebt selbst einmal im Leben eine Affäre. Bei den Paaren, die wir in unserer Praxis sehen, ist eine Affäre einer der häufigsten Anlässe, um eine Emotionsfokussierte Paartherapie zu machen.

Paare, die diesen Weg miteinander gehen, erfahren danach meistens eine tiefere Nähe, Sicherheit und Offenheit in ihrer Liebesbeziehung als je zuvor.

Affäre: meist die Spitze des Eisbergs

Eine Affäre im Rahmen einer festen Beziehung ist immer eine Zäsur. Wir erinnern uns lang daran, selbst dann, wenn die Partnerschaft diese gut übersteht. Dabei ist eine Affäre meist die Spitze des Eisbergs in einer partnerschaftlichen Krise. Eine Affäre ist meist ein Symptom für emotionale Distanz und fehlende Wärme zwischen zwei Partnern, die oft schleichend eingetreten sind. Emotionale Kälte ist nie die Absicht der Liebenden, aber es ist etwas, was entsteht, wenn wir uns emotional verpassen.

Wenn wir unsere Liebste, unseren Liebsten nicht mehr als zugänglich, zugewandt und für uns engagiert erfahren, bringt uns das immer mehr in eine emotionale Unsicherheit, Bedürftigkeit und Einsamkeit. Wir können dadurch anfälliger werden, uns in dieser emotionalen Leere anderen Dingen, Arbeit oder Hobbies, oder eben auch anderen Menschen zuzuwenden.

Der Eisberg und der Teufelskreis

Der Eisberg ist die gewachsene Distanz oder Kälte in unserer Partnerschaft. In der Regel ist dafür ein so genannter Teufelskreis verantwortlich, den beide Partner miteinander entwickelt haben. Ein Beispiel:

  • Eine Frau fühlt sich oft alleingelassen von ihrem Mann, der seine ganze Energie auf seine Karriere zu richten scheint. Sie fordert von ihm, dass er mehr Zuhause ist und kritisiert ihn, wenn er spät aus dem Büro kommt oder wieder einmal das Wochenende am Computer verbringt… Sie: „Ich habe das Gefühl, dass du dich überhaupt nicht mehr in mich interessierst. Ich protestiere, um dich zu erreichen.“
  • Er fühlt sich oft abgelehnt und hat das ungute Gefühl, es seiner Frau nie recht machen zu können. Er versucht durch Erfolg im Beruf bei ihr zu punkten, denn so hat er es im Leben gelernt. Spürt er dann ihre Kritik, flüchtet er sogar in seine Arbeit. Sie fühlt sich dadurch immer mehr verlassen, einsam und unwichtig und fordert noch mehr von ihm… Er: „Ich fühle mich oft für dich nicht gut und ziehe mich deswegen in meine Arbeit zurück.“

– hier ist so ein Teufelskreis entstanden, und dieser kann sich über Jahre und Jahre aufbauen und verstärken – Glaubenssätze und Interpretationen darüber, wie unsere Partner und wir selbst “ticken”, eingeschlossen. In unserem Beispiel sind beide Szenarien denkbar:

  • Sie startet ein neues Hobby in einem Sportverein, knüpft neue Kontakte, und eines Abends bei einem Vereinsfest – ihr Mann ist unterwegs auf einer Dienstreise – passiert es, sie fühlt sich allein und sehnt sich nach Verständnis und Nähe, und plötzlich ist da dieser Sportskollege, der sich schon immer für sie interessiert hat…
  • Oder andersherum: Er ist wieder einmal bei einem Firmen-Abendessen auf einer Messe. Sein Tag war sehr anstrengend. Er fühlt sich nicht sehr motiviert, nach Hause zu gehen, denn er befürchtet, seine Frau wird zur Recht ärgerlich sein, da er nicht Bescheid gesagt hat, dass es heute später wird. Er ist frustriert und sehnt sich nach etwas Wärme, dann fließt Alkohol und da ist plötzlich diese nette Kollegin aus der anderen Filiale…

Der Teufelskreis: Was geht eigentlich schief?

In einem Teufelskreis sind beide Partner sowohl Opfer als auch Täter. Doch was genau geht eigentlich schief? Partnerschaftlicher Stress kann sich in emotionaler Kälte und Rückzug, in heftigen Streits oder in beidem äußern – in allen Fällen ist eine emotionale Abwärtsspirale in Gang, in der es beiden Partnern nicht gelingt, eigene verletzliche Gefühle zu spüren und den Mut aufzubringen, diese ohne Vorwürfe und ohne Abwehr mit dem geliebten Partner zu teilen. Und wenn es doch mal gelingt, ist der Partner oft nicht in der Lage emotional eingestimmt zu reagieren und lässt uns mit unseren verletzliche Gefühle allein. Diese Abwärtsspiralen von Angriff-Angriff, Angriff-Rückzug, Rückzug-Rückzug über Monate oder Jahre ziehen die beiden Geliebten und ihre Beziehung in die emotionale Leere. Affären entstehen meist in so einem Klima der emotionale Leere.

Die gute Nachricht ist: Partner, die sich bei einander emotional aufgehoben fühlen, sich sicher geliebt und gebunden fühlen und im Leben spüren, dass Ihr Partner für Sie da ist und dass sie sich emotional erreichen können, werden gewissermaßen immun gegen Affären. In Liebe verbundene Partner setzen das nicht aufs Spiel. Eine liebevolle, tief verbundene Liebe mit einem Menschen ist das Kostbarste, was wir in unserem Leben erfahren und: aktiv gestalten können.

Eine Affäre ist eine Bindungsverletzung

Wenn wir unerwartet durch eine Affäre verletzt werden, schlägt es uns emotional den Boden unter den Füßen weg. Beide Partner sind direkt emotional überfordert. Der verletzte Partner gleitet meist automatisch in vorwurfsvolles und misstrauisches Verhalten. Der verletzende Partner ringt mit Schuldgefühlen und dem Wunsch, sich zu verteidigen. Hier wird ein bestehender Teufelskreis direkt weiter angefeuert. Was ist also zu tun?

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Ist eine Affäre das Ende der Beziehung?

Manchmal kann es so sein. Manche Bindungsverletzungen sind zu massiv, so dass Vertrauen nachhaltig unmöglich wird. Aber es muss nicht! Wohin auch immer der Weg eines Paares führt – es ist wichtig:

  1. Zu verstehen, wie es emotional dazu kam. Woraus bestand der Eisberg in der Tiefe? Was ist der Teufelskreis und wie ist diese entstanden?
  2. Eine tiefe und sichere emotionale Verbindung zu kreieren. Nur wenn eine gefühlte emotionale Verbindung gelebt wird, kann der verletzte Partner spüren, dass ihr Schmerz auch durch ihren Partner mitgetragen wird. Und nur dann, kann sie sich sicher fühlen, dass es nicht noch mal passiert.

Erste-Hilfe nach einer Affäre

  1. Suchen Sie sich Hilfe, wenn Sie spüren, dass Sie sich in einem verletzenden Kampf miteinander verfangen! Eine Affäre ist eine akute Krise für Ihre Liebe. Sie ist oft die Spitze des Eisbergs. Ihre Partnerschaft ist es wert, den Eisberg zu ergründen und an emotionale Verbindung zu arbeiten – darin steckt die Chance für Klärung und Heilung!
  2. In der akuten Aufdeckung einer Affäre kann Ihre emotionale Not überwältigend sein. Wenn wir Unsicherheit empfinden, ob unsere lebenswichtigen Bindungspersonen noch für uns da sind, oder wir ihnen noch vertrauen können, fühlen wir uns in der Tiefe unseres Seins in Gefahr – und so reagiert auch unser Nervensystem – damit sind Sie ganz normal! Seien Sie gewiss: Es gibt viele Paare, die eine Bindungsverletzung überwinden, dadurch, dass sie ihren Teufelskreis verstehen und nachhaltig umwandeln.
  3. Für den verletzenden Partner: Beenden Sie die Affäre direkt. Berichten Sie Ihrem Partner alles, was er oder sie wissen muss, damit es im Nachhinein keine Überraschungen mehr geben kann. Verstehen Sie, dass es eine Zeit dauern wird, bis Ihr Partner Ihnen wieder vertrauen kann. Gestalten Sie diese Zeit aktiv miteinander – dann kann die Affäre zu einem späteren Zeitpunkt zur Vergebung finden.
  4. Für den verletzten Partner: Es ist wichtig, dass Sie wissen, was passiert ist, damit es im Nachhinein keine Überraschungen mehr geben wird. Doch ersparen Sie sich das Bohren nach allen Details – es ist nur Salz in Ihrer Wunde. Damit die Wunde heilen kann, gilt es sich darum zu kümmern – das geht nur gemeinsam mit Ihrem Partner! Es ist normal, dass es eine Zeit dauert, bis Sie Ihrem Partner wieder vertrauen können, und die Affäre vergeben können. Auch wenn es schwer ist: Versuchen Sie, Ihrem Partner Ihre verletzlichen Gefühle zu zeigen, statt Kontrolle auszuüben.
  5. Prophylaxe hilft! Wir Menschen müssen lernen, wie wir Liebe und Partnerschaft gestalten, damit wir uns aufgehoben, akzeptiert und angenommen fühlen. Leider lernen wir das in unserer Gesellschaft bisher kaum bis gar nicht. Lesen Sie als Paar das Buch „Halt mich fest“ und „Liebe macht Sinn“ von Dr. Sue Johnson. Es wird Ihnen Schlüsselideen geben für Ihre Partnerschaft! Liebe ist kein unverständliches Mysterium. Es ist unser Grundbedürfnis, und wir können es miteinander wundervoll gestalten lernen.

Ja, eine Beziehung kann eine Affäre überleben!

Den Paaren in unserer Praxis helfen wir als Erstes, die schädliche Folgen einer Affäre zu unterbinden. Wenn das gelingt, öffnet sich die Tür für das Paar, um als Team gemeinsam die Abwärtsspirale ihres Teufelskreises zu erforschen und eine Alternative zu entwickeln, in der beide Partner sich als Mensch mehr gesehen, angenommen und geliebt fühlen. Im Laufe des Prozesses, den Paare hier gehen, kommt es meist zu einem späteren Zeitpunkt dazu, dass eine Affäre nachhaltig vergeben werden kann. Die Paare, die diesen Weg gehen, lernen auf einer tieferen Ebene, für einander da zu sein. Dieser Weg ist nicht leicht und nicht ohne Tränen. Er bedeutet eine größere Offenheit als bisher, er bedeutet, sich verletzlicher zu machen, und Ihrem Partner mehr von sich selbst zu zeigen. Und es bedeutet, dass Sie Ihren Partner abholen lernen, wenn er oder sie sich verletzlich zeigt.

Also, ja, eine Beziehung kann eine Affäre überleben und EFT-Paartherapie ist hilfreich. Paare, die diesen Weg miteinander gehen, erfahren danach meistens eine tiefere Nähe, Sicherheit und Offenheit in ihrer Liebesbeziehung als je zuvor. Es ist die Chance, uns noch mehr als Mensch zu fühlen und als Mensch zu wachsen – durch die Verbundenheit mit der Person, die wir lieben. Wenn wir als Paar schaffen, für einander da zu sein, sind wir – das spiegeln auch die aktuellen Ergebnisse der Bindungsforschung – seelisch und körperlich gesünder, stärker, autonomer und können unsere Aufgaben in der Welt besser bewältigen.

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