Toxische Beziehung mit einem Narzissten und was EFT dazu sagt

Manche Klient*innen fragen uns verzweifelt: „Habe ich eine toxische Beziehung? Habe ich einen toxischen Partner?“ Und seit einiger Zeit hören wir auch öfter: „Ist mein Partner ein Narzisst?“

Wenn Sie den Begriff „Narzisst“ googeln, finden Sie viele Websites, die das Verhalten eines Narzissten auflisten und manche davon erklären, dass es seine Absicht ist, Sie zu entwerten und kleinzumachen. Ein Beispiel dazu finden Sie hier.

Was ist ein Narzisst?

Die humanistisch ausgerichtete Emotionsfokussierte Paartherapie sucht aus guten Gründen nicht für jedes Verhalten eine Diagnose.1) Eine Bezeichnung wie „Narzisst“ entschlüsseln wir aus der Bindungsperspektive. Wir sehen in unserer Praxis manches Mal, dass Partner mit etwas kämpfen, was wir als chronische Scham bezeichnen. In diesem Sinne ist das „narzisstische“ Verhalten der Versuch, dieses Gefühl nicht zu spüren. Es geht ihm oder ihr nicht darum, Sie zu entwerten und kleinzumachen – das ist nur Mittel zum Zweck, um die eigenen, überwältigenden und überaus verletzlichen Gefühle zu verdrängen. Folgende Sprüche werden zum Beispiel oft genutzt, um unbewusste, chronische Scham nicht spüren zu müssen:

  • Du lässt mich nicht ausreden.
  • Du bist doch nur sauer, weil ich nicht sofort getan habe, was du wolltest.
  • Es tut mir leid. Was willst du denn noch von mir?
  • Du bist selbst schuld, dass ich dich betrogen habe.
  • Du bist der einzige Mensch auf der Welt, der das denkt.
  • Warum kannst du die Vergangenheit nicht einfach vergessen?
  • Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.

Weil chronische Scham in der Regel frühkindlich entsteht, ist der Partner in großer Not – sich aber gleichzeitig nicht darüber im Klaren, wo der innere Schmerz herkommt. Sein Verhalten ist reflexartig und darauf gerichtet, seine tiefe Scham nicht zu spüren.2) Ihre Beziehung, und damit auch Sie, leiden natürlich unter diesen Verdrängungsstrategien.

Was ist eine toxische Beziehung?

Jede Beziehung hat Interaktionen, die gesund und glücklich machen, kennt aber auch Momente, die krank und unglücklich machen. Die Schlüsselfrage ist: Schaffen wir es als Partner, positive Muster in unserer Beziehung zu stärken und negative Momente zu reparieren? Toxische Beziehungen sind Beziehungen, in denen negative Momente nicht repariert, positive Muster nicht gestärkt werden, und die deshalb immer weiter abgleiten in negative Muster, die mit der Zeit alles übernehmen und negativ einfärben können.3)

„Niemand wird toxisch geboren und jeder Mensch sollte aus seiner Geschichte heraus verstanden werden.“

Dr. Sandra Köhldorfer

Unsere EFT-Paartherapie hat gezeigt, dass es wenig oder keine Chance gibt, aus negativen Mustern heraus zu kommen, wenn:

  • wenn der Vertrauensbruch zwischen Partnern irreparabel ist,
  • ein oder beide Partner nicht neugierig sind auf ihren Eigenanteil in negativen Mustern,
  • ein oder beide Partner nicht die Fähigkeit haben oder keine Notwendigkeit darin sehen,
    • sich selbst und den Partner besser zu verstehen,
    • negative Muster zu stoppen,
    • zu wagen, sich weicher / verletzlicher zu zeigen,
    • aus Kerngefühlen heraus auf den anderen zuzugehen,
    • empathisch auf die Kontaktaufnahme des Partners zu reagieren.

Wie fangt eine toxische Beziehung oft an?

Menschen mit chronischer Scham haben in der Verliebtheitsphase ausreichend Energie, um sich nicht in diese aggressive verärgerte Rückzug zu verfangen. Nach der ersten Verliebtheit und wenn Stress da ist, kann das Gewicht der Scham ihnen dann doch unter Wasser ziehen, sie verfangen sich in ihren negativen Gedanken-Gefühlen-Kreis und damit der Beziehung in ein negatives Muster. Dieses Muster kann sich verfestigen, wenn den Partnern nicht als Team zusammen darunter tauchen, wieder zu verletzliche, weiche Gefühle kommen, damit auf einander zugehen, und eingestimmt reagieren – dass es sich bei Bedarf wieder wie Bettgeflüster und der Liebe sich wie einen sicheren Rückzugsort anfühlen kann.

Worauf sollten Sie als Partner achten?

  • Dass ihr Partner einen eigenen Willen zeigt, aus seinem Schutzverhalten und dem negativen Muster herauszukommen. Wenn Ihr Partner meint, dass sein Verhalten okay ist und er nichts ändern muss, wird sich nichts ändern. Es könnte zur Co-Abhängigkeit führen.
  • Dass Sie als Opfer nicht auch selbst zum Täter werden. Ihren Partner zu diagnostizieren und ihn als „Narzissten“ darzustellen, wirkt oft als Schuldzuweisung und entwertet. Genau das, gegen das Sie sich selbst gerade versuchen, zu schützen.
  • Solange bei Ihnen und Ihrem Partner noch Offenheit besteht, ist es gut, durch eine EFT-Therapeut*in begleitet zu werden, um die chronische Scham4) zu verstehen und im Laufe des Therapieprozesses zu heilen. Ein Klient, der zu Beginn der EFT-Paartherapie von seiner Frau als Narzisst gesehen wurde, konnte ihr in Phase 2 unter Tränen erzählen: „Ich fühle mich tief in mir drin so wertlos und ausgeschlossen. Ich habe ein Elektrozaun rund um mein Herz und explodiere lieber in Ärger als den Schmerz zu spüren, das tiefe Loch, die Leere, das Gefühl, von meinen Eltern nie wirklich geliebt worden zu sein – immer nur unter Bedingungen. Ich entwerte nicht nur dich und unsere Kinder – und mache euch klein – tief in mir drin tue ich das Gleiche mit mir selbst, damit es nie wieder weh tut, wenn jemand mich verletzt.“ Sie reagiert: „Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll. Aber ich bin so froh, dass du es mir gesagt hast.“

1) Emotionsfokussierte Therapie benutzt aus mehreren Gründen keine Diagnosen:

  • Aus unserer Bindungsperspektive schauen wir unter die Oberfläche von Symptomen und Verhaltens zweier Partner. Bindungsbiographisch macht in der Regel Sinn, welche Überlebensstrategien zu bestimmten Symptommustern führen. Das Bewusstwerden davon kann bereits ein erster Schritt zu einer neuen, positiven Wahl sein.
  • Eine Diagnose kann beschämend wirken und Scham verringert die Chance auf Wachstum und Heilung.
  • Es kann wie eine Schuldzuweisung wirken, wodurch Partner und Familienmitglieder sich in einer Opferrolle verfangen.
  • In der Regel liegt das Problem im System, den negativen Mustern zwischen Partner oder Familienmitgliedern.
  • Eine Diagnose führt oft zum Jagen von Symptomen, statt zum Verstehen und Heilen. Es sagt, was mit jemandem nicht stimmt, anstatt zu fragen, was passiert ist und was gebraucht wird, um zu heilen.

2) Mehr über Aktivierung und Dissoziation als Überlebensstrategie in das Buch: „Was ist dein Schmerz?

3) Mehr über positive und negative Muster in Sue Johnsons Bücher „Halt mich fest“ und „Liebe macht Sinn“. Über die Kraft des Reparierens: „The Power of Discord“ (leider noch nicht auf Deutsch übersetzt).

4) Ein hervorragendes Buch zu chronische Scham ist „Unshame“ (leider noch nicht auf Deutsch übersetzt). Die zwei Bücher „Running on Empty (no More)“ von Dr. Jonice Webb sind auch sehr empfehlenswert.

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